Bierproduktion im Einklang mit der Natur

Im Wasserschloss von Titting gärt es schon seit mehr als 300 Jahren: Zwischen dicken Mauern produziert die Brauerei Gutmann hier ihr Hefeweizen – nachhaltig und in Zukunft auch bald energieautark.

Ihren Schatz haben die Gutmanns gut versteckt. In einem Blumengarten am Fuß des Kalvarienbergs von Titting liegt das Anwesen, dem man die Brauerei darin so gar nicht ansieht. Passend zum beschaulichen Ort mit 700 Einwohnern wirkt das Wasserschloss eher wie eine Miniaturversion eines adeligen Unterschlupfs – und dabei wie aus dem Ei gepellt.

„Die Renovierung 2015 war eine ganz schöne Arbeit“, erinnert sich Michael Gutmann, der mit Bruder Fritz zusammen seit jenem Jahr auch den Betrieb mit 50 Angestellten leitet. Moderne Bierproduktion in einem denkmalgeschützten Ensemble unterzubringen, das sei nämlich gar nicht so einfach. Von der Zeit der Holzfässer und Kupferkessel zeugt heute noch das kleine Brauereimuseum in der alten Malztenne. Durch eine Glasscheibe davon getrennt, sitzt Cousin Sebastian als Produktionsleiter im Hightech-Labor der Qualitätskontrolle und inspiziert durch ein Mikroskop die vielen freien Mitarbeiter der Gutmanns: Hefezellen, die wichtigsten Helferlein beim Weißbierbrauen. Zur Gärung wird nur die brauereieigene Hefe verwendet und dieser Hefestamm wird fürsorglich gepflegt.

Die Gutmanns sind spezialisiert auf Hefeweizen, das, jedes für sich, gemütlich in der Flasche gärt. Neben dem traditionellen Hellen gibt es ein Dunkles und ein Leichtes, saisonal den hellen und dunklen Weizenbock, sowie zwei Alkoholfreie: einmal hell, einmal dunkel mit Dinkel. Auf letzteres ist Michael Gutmann besonders stolz: „Der erste Schluck ist eine Wohltat, der zweite eine Wohltätigkeit. Denn Dinkel ist ein ursprüngliches Getreide, das extensiv angebaut bestens gedeiht.“ Wie der Dinkel, so stammt auch die Braugerste aus der unmittelbaren Nachbarschaft. Mit 20 Landwirten der Umgebung gibt es eine langjährige Partnerschaft und ein Pilotprojekt zur „Zertifizierung von nachhaltig erzeugtem Braugetreide“.

In Titting hüten die Gutmanns ein kostbares Erbe. Vor fast einem halben Jahrtausend ließ Pfalzgraf Ottheinrich das Wasserschloss ins idyllische Anlautertal bauen. Ab Mitte des 17. Jahrhunderts diente es den Eichstätter Bischöfen als Sommerresidenz. Fürstbischof Johann Anton I. Knebel von Katzenelnbogen hatte neben einem lustigen Namen auch gehörig Bierdurst und integrierte 1707 eine Brauerei. Zur Zeit der Säkularisation kamen Schloss und Bierproduktion in den Besitz des Königreich Bayerns, 1855 ersteigerte sie Michael Gutmann, Vorfahr und Namensvetter des heutigen Chefs. Der Rest ist Familiengeschichte. Die aktuell sechste Brauer-Generation ist vor allem darum bemüht, diese im Sinne der Nachhaltigkeit fortzuschreiben.

Teil der Brauereiführung ist an diesem Morgen ein Gerstenfeld auf der weiten Hochfläche über Titting. Auf den extrabreiten Blühstreifen am Feldrand flattern aufgeregt Schmetterlinge, summen Hummeln und schwirren Bienen von Blüte zu Blüte. Der Gerste selbst sieht man den ökologischen Wert auf den ersten Blick nicht an, die hat es aber in sich, schwärmt Gutmann. „Der Anbau kommt mit wenig Pflanzenschutz und Dünger aus.“ Und sie leistet einen Beitrag zum Grundwasserschutz:  „Die Wasserspeicherkapazität ist bei der Gerste groß, vor allem beim Anbau von Zwischenfrüchten und einer schonenden Bodenbearbeitung.“

Hinter dem Feld wird auf einer Wiese bald eine fünf Hektar große Photovoltaik-Anlage entstehen, die die Hälfte des Energiebedarfs der Brauerei beisteuert. Oben tanken die Panels Sonne, darunter erfreuen sich Schafe an den Leckerbissen einer artenreichen Wiese, so der Plan. „Die andere Hälfte wird in wenigen Jahren ein einzelnes großes Windrad liefern“, erhofft sich Gutmann. Umweltschutz ist ihm eine Herzensangelegenheit. „Nur mit intakter Natur kann man auch gesunde Produkte anbauen.“ Seine Erfahrungen teilt Michael Gutmann gerne mit Brauerkollegen im Bayerischen Brauerbund sowie im Förderverein Braugerste, den er sogar als erster Vorsitzender ehrenamtlich führt.

 

 

Als „Blühender Betrieb“ und Teilnehmer beim „Blühpakt Bayern“ grünt es deshalb auch direkt am Firmensitz. Mit einer Wildblumenwiese am Verwaltungsgebäude, dem ehemaligen "Ochsenhaus" etwa, mit Naturteich, Hecken, Sträuchern im Schlossgarten. In den Fugen der historischen Schlossmauer dösen Eidechsen in der Sonne, alte Obstbäume liefern Früchtchen für Mensch und Tier. Im Artenschutzgebiet am Kreuzberg wurden Terrassen angelegt, die nur einmal jährlich gemäht werden. Bei der Renovierung wurde auch an die Fledermäuse gedacht. Die Gauben im Dachstuhl des sanierten Wasserschlosses wurden speziell gefertigt, um den geschützten Flattertieren auch weiterhin einen Lebensraum zu bieten. Die alten Kastanien im Hof der Brauerei dienten vormals zur Kühlung des darunter liegenden Kellers. Bevor die Gutmanns vor 100 Jahren aufs für die Region eher unübliche Weißbier umstellten, lagerten dort die dicken Holzfässer. Heute spenden die riesigen Bäume den Besuchern des jährlichen Kellerfestes und beim Schlosshof-Benefizkonzert Schatten.

 

Apropos: Neben der ökologischen Nachhaltigkeit ist den Gutmanns auch das Miteinander wichtig. Als erste Brauerei Deutschlands veröffentlichen sie eine Gemeinwohlbilanz. „Die bewertet den Einsatz für Menschenwürde, Solidarität & Gerechtigkeit, ökologische Nachhaltigkeit, Transparenz & Mitentscheidung in Bezug auf unsere Lieferanten, Geschäftspartner, Mitarbeiter, Kunden sowie das gesellschaftliche Umfeld“, fasst Michael Gutmann zusammen. Fachkräftemangel kennen sie hier auch deshalb nicht. „Viele der Angestellten sind schon lange dabei und die meisten kommen aus der Nachbarschaft mit dem Rad zur Arbeit.“

In der Region lohnt nicht nur die Brauerei einen Besuch. Das hübsche Anlautertal zweigt ab vom Altmühltal, eine Gegend, die prädestiniert ist zum Wandern und Radeln. Bierfans fahren dabei ab auf die 75 Kilometer lange Jura-Bier-Tour. Die Radstrecke führt von Kinding über Thalmässig bis Greding auch durch Titting. Highlights sind neben den Flüsschen und wunderschönen Dörfern die vier Brauereien auf der Strecke.

Die Lust am Bewahren und die Verbundenheit zum Denkmalschutz geht für die Gutmans übrigens  über das Wasserschloss hinaus. In Eichstätt wurde ein historisches Jurahaus mit der Gastwirtschaft und Kleinkunstbühne „Zum Gutmann“ zu neuem Leben erweckt. Das ehemalige „Cafe Wanner“ in Nürnberg und das „Gasthaus zur Post“ in Hilpoltstein sind weitere Baudenkmäler, die heute die Handschrift der Familie tragen.

Zur Einkehr gibt`s natürlich bestes Gutmann-Hefeweizen!

Text und Fotos: © erlebe.bayern - Dietmar Denger