Um die Sonderrolle sachgerecht beurteilen zu können, die die Bundesrepublik im Biermarkt einnimmt, liegt ein Vergleich mit den übrigen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union nahe.
Auf der Grundlage der Daten, die der Spitzenverband der Europäischen Brauwirtschaft, The Brewers of Europe (BoE) mit Sitz in Brüssel, erhebt, sollen im Folgenden nicht nur einige statistische Daten über das europäische Brauwesen dargelegt, sondern auch einige Irrtümer ausgeräumt werden …
Wir beziehen uns hierbei auf das Jahr 2014. Die Größe der Europäische Union mit unterdessen 28 Mitgliedsstaaten bringt es mit sich, dass das Zusammentragen der relevanten statistischen Daten einige Zeit in Anspruch nimmt, was im Vergleich zu den für Deutschland recht rasch verfügbare Daten eine gewisse zeitliche Verzögerung der Veröffentlichung mit sich bringt.
Auch gestatten uns die vorliegenden Daten einen Rückblick in vielen Fällen nur bis 2003, da ältere Daten auch bei den BoE nicht vorliegen.
9. Die europäische Brauwirtschaft
Deutschland hat im letzten europaweit statistisch erfassten Jahr 2017 Jahr gut 93 Mio. hl Bier gebraut (ohne alkoholfreies Bier und Malztrunk). Das ist deutlich mehr als doppelt so viel wie das zweitstärkste europäische Bierland, Großbritannien.
Es folgen Polen und Spanien auf den Plätzen 3 und 4 innerhalb der 28 EU-Mitgliedsstaaten.
Mit Blick auf alle 28 EU-Mitgliedsstaaten wird – Deutschland eingeschlossen – in nur vier Ländern mehr Bier gebraut als in Bayern.
AUSSTOSSSITUATION DER EUROPÄISCHEN BRAUWIRTSCHAFT 2017-> DOWNLOAD GRAFIK
Die Entwicklung der Bierproduktion seit 2003 verläuft in den einzelnen Mitgliedsländern der EU sehr unterschiedlich: Traditionelle Bierländer wie Dänemark, Großbritannien oder auch – wenngleich in geringerem Umfang – die Bundesrepublik weisen deutliche Rückgänge auf, andere Staaten, vor allem einige osteuropäische Länder wie Polen oder Rumänien, Spanien, die Baltischen Staaten oder das Bierland Belgien können deutliche relative Ausstoßzuwächse vermelden.
VERÄNDERUNG DES BIERAUSSTOSSES IN DEN EU-LÄNDERN 2003 BIS 2017-DOWNLOAD GRAFIK
Neben der Bierproduktion in den einzelnen EU-Ländern ist natürlich der Pro-Kopf-Konsum (PKV) von Bedeutung. Hier liegt Deutschland hinter Tschechien und ganz knapp vor Österreich mit einem jährliche PKV i. H. v. 104 Litern auf Platz 2.
Belastbare Aussagen über den Bierkonsum in Bayern sind leider kaum machbar, da die Bierlieferungen aus anderen Bundesländern nach Bayern wie auch umgekehrt aus Bayern in andere Bundesländer statistisch nicht erfasst werden.
Aus früheren Erhebungen wissen wir jedoch, dass kein anderes Bundesland einen so großen Teil seiner Bierproduktion in andere Bundesländer „exportiert“ . Und in keinem anderen Bundesland ist derjenige Anteil des Bierdurstes, der mit Bieren aus dem eigenen Land gestillt wird, so groß wie in Bayern.
Der durchschnittliche Bierkonsum pro Kopf dürfte in Bayern bei 125 bis 130 Liter liegen.
Ob seiner mannigfaltigen Bierspezialitäten wird Belgien gerne als Vorbild für die deutsche Brauwirtschaft herausgestellt und die „Einengung“ beklagt, die das in Deutschland geltende Reinheitsgebot für inländische „kreative Brauer“ darstellt.
Die belgische Vielfalt ist den Belgiern indes offenkundig kein Ansporn, mehr Bier zu trinken: Der dortige PKV liegt 36 Liter oder 34,6% unterhalb des deutschen.
Beim Blick auf die Veränderung des Bier Pro-Kopf-Konsums (PKV) in den EU-Mitgliedstaaten seit 2003 fällt eine sehr unterschiedliche Entwicklung auf:
Es sind vor allem osteuropäische Länder (Polen, Rumänien, Bulgarien) und baltische Staaten, die eine starke Zunahme des Bier-PKV aufweisen, während typische Biernationen wie Dänemark, Großbritannien, Irland oder die Tschechische Republik einen deutlichen PKV-Rückgang aufweisen.
Auch der Deutsche Bier PKV ist rückläufig. Er sank seit 2003 um 11,7%.
Auch hier sei ein Blick auf die Entwicklung in Belgien gestattet, wird doch der sinkende Bierdurst der Deutschen oft und gerne mit einem Hinweis auf Belgien kommentiert: Dürfte man in Deutschland, so die These, die Grenzen des Reinheitsgebotes etwas großzügiger auslegen, um zu einer der belgischen vergleichbaren Sorten- und damit Geschmacksvielfalt zu gelangen, würde alles sich zum Guten wenden.
Der Umstand, dass der Durchschnittsbelgier trotz größerer Biervielfalt jenseits der engen Grenzen des Reinheitsgebotes nicht nur weniger trinkt, sondern sein Bierdurst seit 2003 auch deutlich stärker zurückgegangen ist (-29,2%) , lässt Zweifel an dieser These zumindest nicht abwegig erscheinen.
VERÄNDERUNG DES BIER PRO-KOPF-VERBRAUCHS IN DER EU 2003-2017 IN PROZENT->DOWNLOAD GRAFIK
Oft wird kritisiert, die deutsche Brauwirtschaft bleibe was ihren Export betrifft weit hinter ihren Möglichkeiten zurück und werde dem Ruf ihrer Biere in der ganzen Welt nicht gerecht.
Bezug genommen wird dabei stets auf die Exportquote, die im europäischen Maßstab in der Tat eher Mittelmaß ist. Selbst mäßig prominente Biernationen wie Estland, Portugal oder Lettland weisen wie andere europäische Länder auch deutlich höhere Exportquoten auf als Deutschland.
Allerdings ist der Ansatz unsinnig, denn beim Export interessiert nicht die Quote, sondern interessieren allein die absoluten exportierten Mengen. Es macht eben einen Unterschied, ob Luxemburg eine Bier-Exportquote von derzeit rund 30% % erreicht oder die Bundesrepublik!
Deutschland ist was seinen Ausstoß betrifft das mit weitem Abstand größte Bierland Europas. Eine Exportquote von aktuell 17,4% vom Gesamtabsatz bedeutet ein Exportvolumen von über 16,5 Mio. Hektolitern, die von anderen, z.T. deutlich kleineren Märkten erst einmal aufgenommen werden müssen. Mehr exportiert kein anderes EU-Land!
Die Kritik am angeblich zu geringen deutschen Bierexport ist also ungerechtfertigt. Die Bundesrepublik ist die erfolgreichste Bier-Exportnation der ganzen EU!
(Leider habe die Brewers of Europe bis jetzt nicht alle statistischen Daten der EU-Mitgliedsländer bereitgestellt).
EXPORTVOLUMEN UND -QUOTE VON BIER IN DER EU 2017->DOWNLOAD GRAFIK
Bei der Beurteilung der Bedeutung des Bierimports für einen bestimmten Biermarkt ist nun wiederum nicht die absolute importierte Menge ausschlaggebend, sondern allein die Importquote, also der relative Anteil importierten Bieres am im Land konsumierten Gerstensaft.
Aufgrund des volumenstarken deutschen Biermarktes ist das absolute Importvolumen in der Tat ansehnlich. Nur die Briten und die Franzosen importierten 2016 mehr, Italien und Spanien folgen Deutschland auf den Plätzen 4 und 5 in der EU.
Gemessen am Gesamtkonsum gibt es aber nur wenige Länder in der EU, die in größerem Maße auf heimische Biere setzen als die Bundesbürger, was an einer relativ niedrigen Importquote ablesbar ist – ein Zeichen für die hohe Wertschätzung, die Bier aus Deutschland in Deutschland genießt.
Ein vergleichbar hohes Vertrauen in die eigenen Erzeugnisse weist übrigens das ob seiner Vielfalt an Spezialitäten oft und gerne gepriesene Belgien nicht auf. Hier ist die Importquote mit 15 % 6,5 Prozentpunkte höher als in Deutschland.
(Separate Daten für Bayern liegen hier leider nicht vor).
IMPORTVOLUMEN UND -QUOTE VON BIER IN DER EU 2017->DOWNLOAD GRAFIK
Die Biersteuer innerhalb der Europäischen Union ist extrem unterschiedlich ausgeprägt. Die höchste Bierbesteuerung der 28 EU-Länder hat Finnland mit 153,84 € je Hektoliter, das Schlusslicht markiert Rumänien (8,72 €/hl). Es folgt Bulgarien (9,20 €/hl) und dann auch schon die Bundesrepublik Deutschland (9,44 €/hl). Mit Luxemburg und Spanien folgen nur noch 2 weitere Länder, deren Biersteuerbelastung unter 10,00 €/hl liegt.
Die Besteuerung alkoholhaltiger Getränke ist in Europa nur insoweit harmonisiert, als es einen Mindeststeuersatz gibt. Dieser ist seit rund 20 Jahre unverändert, was immer wieder Befürworter seiner Anhebung auf den Plan ruft.
Eine derartige Anhebung des Mindeststeuersatzes würde ausschließlich die Länder mit relativ niedriger Biersteuer treffen.
Zum Glück gilt in Steuerfragen in Europa das Einstimmigkeitsprinzip. Gegen Deutschland ist eine Anhebung der EU-Mindeststeuersätze für Bier nicht machbar.
Quelle: Statista GmbH, Hamburg, Statista 2019